Die Sache mit dem Üben

Wer Gitarre lernen will muss üben! Oder geht es auch ohne? Und wenn schon üben, wie oft und wie lange wäre denn optimal, um regelmäßig Fortschritte zu machen? Ein Erfahrungsbericht:

Motivation Teil 1

Ein Anfänger ist in der Regel hochmotiviert. Er möchte Gitarre lernen. Darum ist er jetzt da. Freiwillig. Keine (Gitarren-)Schulpflicht und auch von den Eltern geht diesbezüglich in der Regel kein Zwang aus. Zumindest ist mir kein Fall bewusst.

Beim ersten Kennenlernen komme ich früher oder später zum Thema Gitarre üben. Jeden Tag 10-15min reichen für den Anfänger, um gute Fortschritte zu machen. So meine Erfahrung und das teile ich dem Neuling dann auch entsprechend mit, womit er sich meist mit einem Lächeln einverstanden erklärt.

Theorie vs Praxis

Was sich in der Theorie als Pillepalle darstellt, wird in der Praxis leider häufig zu einem scheinbar unüberwindbaren Hindernis.

Und wenn man sich oder andere auch noch so sehr davon überzeugen möchte, man hätte keine Zeit zum Gitarre üben. Es hilft ja nichts. Wobei man als Lehrer (und nicht nur als solcher) immer wieder ins Grübeln kommt, wenn ein 7jähriger mit dem Satz „Ich hatte keine Zeit zum Gitarre üben“ seine Gitarrenstunde einleitet. Wie gesagt, wir reden immer noch von 10-15min Übezeit täglich.

„Der Unterschied zwischen Zeit haben und keine Zeit haben heißt Interesse“

Ein Zitat, über das es sich nachzudenken lohnt. Ich kenne das ja auch aus eigener Erfahrung. Wenn mich etwas wirklich interessiert, finde ich immer auch die Zeit dafür. Und wenn nicht, dann eben eine Ausrede.

Motivation Teil 2

Sicher, der Schüler möchte Gitarre spielen können. Aber will er auch die Zeit und Anstrengungen auf sich nehmen, um sein Instrument in absehbarer Zeit zu erlernen? Schafft er es, sich jeden Tag ein 15minütiges Zeitfenster freizuhalten zum Gitarre üben? Wünschenswert, aber dafür reicht die eigene Motivation dann leider oft nicht aus. Zumindest in der Anfangsphase.

Unterricht anpassen

Was bedeutet das für mich als Lehrer?
Sinnvollerweise passe ich meinen Unterricht dem nichtübenden Schüler an. Immerhin kommt er gerne zum Unterricht und hat dort eine 30minütige Übungsstunde. Diese reicht tatsächlich oft aus, um zumindest kleine Fortschritte zu machen.
Die Hoffnung besteht auch immer darin, daß dieser Schüler irgendwann einen Motivationsschub erfährt und dann regelmäßig übt. Und das kommt doch glücklicherweise recht häufig vor.

Geduld

Wie sollten sich Eltern verhalten, wenn der Nachwuchs zu Hause nicht übt?
Leider erlebe ich in den letzten Jahren bei diesem Thema eine zunehmende Ungeduld der Eltern. Nach einigen Wochen Unterricht wird der Schüler dann nach einer Kosten-Nutzenrechnung frustriert abgemeldet. Das leidige Thema weggewischt wie eine unnötige App auf dem iPad.

Diese Eltern können leider davon ausgehen, daß ihr Sprößling die nächsten Jahre keine Gitarre mehr anfasst und schon gar keinen Unterricht mehr nimmt.
Warum? Dem Kind ist nun vollkommen bewusst, dass man ein Instrument nicht einfach spielen kann, sondern richtig was dafür tun muss. Und das überlegen sich die Kids zukünftig genau, ob sie das wollen.

Ich verstehe jeden, der aus finanziellen Gründen keinen Unterricht nehmen will oder kann. Aber wer sich für Gitarrenunterricht entscheidet, egal ob für sich oder sein KInd, der sollte sich auf einen jahrelangen Lernprozess einstellen.
Youtube-Versprechen wie „Nothing else matters in 10 Minuten“ sind für Anfänger totaler Schwachsinn, das funktioniert so nicht.

Wann Gitarre üben?

Plant euch oder eurem Kind ein 15minütiges Zeitfenster pro Tag zum Üben ein. Eine gleichbleibende Uhrzeit wäre super, wenn in der Praxis auch schwierig. Eine Möglichkeit wäre z.B. immer vor dem Abendessen zu üben.

Meine Übungszeit als Kind war meist zwischen Mittagessen und Hausaufgaben. Gitarre üben empfand dabei ich als Ablenkung von der Schule und nicht als zusätzliche Belastung. Meine Gitarre stand direkt neben meinem Schreibtisch und ich griff nach der Schule automatisch nach ihr. Spielte ein paar Sachen, die ich mochte und dann das Übungsstück aus dem Unterricht. Aus 15min wurden dann auch regelmäßig deutlich mehr, ohne dass es mir wirklich bewusst war.

Fazit

Seid geduldig! Mit euch oder auch mit euren Kindern. Ich bin mir als Lehrer meiner Verantwortung vollkommen bewusst.

Es gibt tatsächlich Schüler, da überlege auch ich mir genau, ob der Unterricht Sinn macht oder nicht. Zum Beispiel, wenn das Mitmachen im Unterricht generell verweigert wird oder das KInd nicht gerne zum Unterricht kommt. Manchmal passt es eben nicht und dann kommuniziere ich das auch mit den Eltern.

Als Lehrer erhoffe ich mir genügend Zeit, dass sich der Schüler an meinen Unterricht gewöhnen und ich mich auf ihn einstellen kann. Früher oder später klappt es dann oft auch mit dem Gitarre üben!

Hier noch ein Beitrag zum Gitarrenkauf